Liquid Ornament

Distinguished project @Silberstreifen Award 2021

Konzept

Ein Großteil von Informationen begrüßt uns täglich mit einer gewohnten Selbstverständlichkeit per LCD- oder OLED-Bildschirm. Nur wenige dynamische Informationsträger wie z.B. Wanduhr oder Thermometer sind in unserem Alltag als analoges ,Ambient Display' verblieben. Im Hintergrund und immer dezent liefern diese auch ,Calm Technologies' genannten Geräte beiläufig nützliche Informationen. In Zeiten von Information Overflow und medialer Überreizung (vgl. [4]) ist es vielen Menschen ein tiefes Bedürfnis, Inhalt und Form der Informationsaufnahme selbst zu gestalten. Dort setzt unser Projekt an.

Unter dem Arbeitstitel Liquid Ornament erforschen wir verschiedene Möglichkeiten Sonnenlichtreflexionen mittels digitaler Hilfsmittel zu formen. Das Licht der Sonne wird mit Informationen aufgeladen und somit zum gestaltbaren Medium. Darstellungsformen reichen von konkret als Matrix bis abstrakt-ornamental, von fast unmerklich und subtil bis spektakulär und schnell. Die Arbeit mit reflektierenden Materialien und Methoden der digitalen Steuerung führte uns zu einem Repertoire an unterschiedlichen Reflexionsformungsprinzipien. Wir glauben, einen guten Weg für einen robusten Prototypen gefunden zu haben, der in der Lage ist bereitstehende Informationen aus der Cloud in semantisch aufgeladene Sonnenreflexionen, sprich bedeutsame Symbole und Animationen zu übersetzen.

Funktion

Die aktuelle Version von Liquid Ornament ist ein Innen am Fenster montiertes Reflexionsmodul, welches das Sonnenlicht in den Raum lenkt und digital formt. Der Prototyp besteht aus einer 3x3 Matrix von Linearaktuatoren. Sie verformen einen Reflektor, der so definierte dynamische Reflexionen erzeugt. Es entstehen semantisch identifizierbare Lichtformen und Bewegungssequenzen, die einer Information zugeordnet werden können, z.B. Regenwahrscheinlichkeiten, Mobilitätsinformationen oder Messaging-Benachrichtigungen jeglicher Art. Welche Daten repräsentiert werden ist frei gestaltbar, solange es eine Schnittstelle zu den Daten gibt. Durch Cloud-Konnektivität ruft Liquid Ornament diese Daten im Hintergrund ab und stellt sie als Sonnenlichtreflexion instinktiv lesbar zur Verfügung. Das endgültige Produkt soll mittels eines Photovoltaikmoduls an der Außenseite des Fensters nachhaltig mit Energie versorgt werden.

Schnittstelle Fenster

Das Fenster als Schnittstelle ist ein Schlüsselaspekt des Projekts. Das Fenster ist Halteposition für das Liquid Ornament, gleichzeitig ist es für Menschen die natürliche Verbindung zwischen Innen und Außen, privat und öffentlich, eigener Lebenswelt und äußerer Information.

Anwendungen und Effekt

Wir stellen uns vor, dass das Liquid Ornament in den folgenden Kontexten nützlich und inspirierend ist:

  • Privaträume
  • Pflegeheime und Kliniken
  • Hotels
  • Büros
Der digitale Reflektor bricht mit unserer Sehgewohnheit, er nutzt natürliches Licht und agiert digital abseits der üblichen aktiv leuchtenden Pixelmatrix. So verbinden wir Digitalität und Natur. Der Nutzer erlebt einen digital angereicherten Raum, bleibt dabei aber mit den natürlichen Phänomenen und Rhythmen des Tageslichts verbunden: Sonne/Wolken, Tag/Nacht und die Jahreszeiten. Das reflektierte Licht verbindet sich eng mit der Umgebung, es verändert sich je nach Form, Entfernung und Material der Projektionsfläche. Die Reflexionen wandern langsam durch den Raum: Tageszeit und Jahreszeit bestimmen Höhe, Richtung, Geschwindigkeit und Farbtemperatur.

Anwendungsbeispiel - Die Macht der Eintönigkeit

Die Zeit der Pandemie trifft unsere Liebsten in den Pflege- und Altenheimen mit dem Bann der Außenwelt besonders hart. Die Isolation von der trostspendenden Natur treibt die soziale Isolation auf die Spitze. Eintönigkeit und macht sich breit. Das Zimmerfenster nach Außen lässt einzig das Fortschreiten der Jahreszeiten beobachtbar und dient als Quelle des nicht Aufgebens. Die Zeit schreitet langsam, noch langsamer für jene die am Bett gefesselt sind. Dennoch meint die Sonne einigen Kerben des Glücks in den Stein der Eintönigkeit schlagen zu können. Liquid Ornament könnte dabei helfen die positive Kraft der Sonne noch greifbarer in den Pflegeraum unserer Liebsten zu bringen. Lebendige Reflektionen einem Lichtspiel ähnlich, hellen die Eintönigkeit auf und lassen die Kraft der Natur erkennen.

Ambiguity and the Ephemeral in Design

Der Natürlichkeit angleichend ist Liquid Ornament auch aufgrund seiner Flüchtigkeit und Eigendynamik. Konzepte wie "Ambiguity" und "the Ephemeral" wurden in der Design- und Interfaceforschung von Gaver [3] bzw. Döring [1] eindringlich diskutiert.Sonnenlicht wird nur minimal gezähmt und nach Bedarf mit Informationen aufgeladen. Wie die Natur bleibt es unzuverlässig, mehrdeutig und immer stärker als die menschliche Technologie: Das Sonnenlicht verändert sich je nach Wetter und Zeitpunkt stark - jeder Ort und jeder Zeitpunkt hat seine ganz eigene flüchtige Lichtsituation.

Ziele

  • Freude am Lichtspiel
  • mehr Selbstbestimmung über Art der Information und Form der Benachrichtigung.
  • freiere Gestaltung der eigenen Aufmerksamkeit.
  • engere Identifikation mit dem Ort und seiner Natur

Conclusion

»Liquid Ornament« formt Licht mit digitalen Mitteln - so wird das natürliche Licht der Sonne zum gestaltbaren Medium und erzeugt einzigartige Reflexionen im Spannungsfeld zwischen Ornament und Symbol.

 

References:
[1] Tanja Döring, Axel Sylvester, and Albrecht Schmidt. 2013. A design space for ephemeral user interfaces. In Proceedings of the 7th International Conference on Tangible, Embedded and Embodied Interaction (TEI '13). Association for Computing Machinery, New York, NY, USA, 75-82.
[2] Patrick Tobias Fischer, Eva Hornecker, Johann Gielen, Johannes Hartmann, Marco Schmandt, Anna Rack, Marie Bornemann, Felix Dondera and Herbert Grinda. Exploring the Potential of Depictions with Sun Reflections. Proc. of Pervasive Displays 2015 (PerDis'15), ACM 2015, pp. 217-224.
[3] William W. Gaver, Jacob Beaver, and Steve Benford. 2003. Ambiguity as a resource for design. In Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI '03). Association for Computing Machinery, New York, NY, USA, 233-240.
[4] Malcolm McCullough. Ambient Commons: Attention in the Age of Embodied Information. Mit Press. 2015.

 

Team:
Dr. Patrick Tobias Fischer
(Designresearch & Prototyping)
Johann Gielen (Lighting Design & Communication)

Documents:
Concept Pitch.pdf

Links:
Silberstreifen Award 2021
Hamburg Kreativ Gesellschaft
Johann Gielen Lighting Design